Der Tempel der drei Flüsse
 

Im verborgenen Tempel der drei Flüsse lebt und herrscht Nemosyne, die Göttin der Erinnerungen. Diesen zu finden ist schon ein Abenteuer für sich. Den Weg dorthin kennen nur die erwürdige Mutter und wenige der Hohepriester. Diejenigen, die ihr Weg dort hinführt, suchen um Erlösung von der Last ihres Wissens. Aber gewarnt sollen die Suchenden sein, dass nicht nur die negative, sondern auch die positiven Erinnerung entschwinden werden, wenn sie den Weg bis zum Ende gehen. Einzig eine Amphore mit Wasser und eine Münzen muss der Suchende mit sich führen.

Wenn ein Suchender den Tempel betritt, wird er von zwei Priesterinnen gesalbt, welche ihm die Münze auf die Stirn legen - ähnlich wie bei einer Totenmesse. Dann versinkt er in eine Art Trance. Schließlich erscheint der Wächter, der den Suchenden auf dieser Reise durch sein Leben begleitet.

In den tiefen Katakomben des Tempels wird der Suchende in eine riesige Höhle geführt. In deren Zentrum entspringt eine reine Quelle. Sie ist die Quelle aller Erinnerungen, die jemals gedacht wurden und auch jemals gedacht werden. In dieser Quelle finden sich auch alle Erinnerungen des Suchenden wieder und auch die Antworten darauf. Auch die Erinnerungen werden von diesen drei Flüssen durchströmt. Die Quelle speist drei Flüsse, welche die Höhle durchqueren. Erinnerungen sind wie Gewässer. Manche sind tief und unergründlich, andere seicht und zugänglich. Wie sich dieser Weg entwickelt liegt immer in den Händen des Schicksals, dass jedem von uns selbst vorbestimmt ist.

Der Suchende muss nun aus seiner Amphore das Wasser in eine, reich mit Ornamenten verzierte, Schale füllen, welches für die Erinnerungen seines Lebens steht. Der Wächter schöpft Wasser aus der Quelle und füllt dieses in einen einfachen Tonbecher.

Nun muss der Suchende seinen Weg durch jeden dieser Flüsse beschreiten bis er wieder bei Schale und Becher ankommt.

Der erste Weg führt einem zum Fluss des Wehklagens. Dort durchlebt man noch einmal alle negativen Taten sowie Verrat und Lüge, welche man an den Menschen oder Wesen im Laufe seines Lebens begangen hat. Durch dieses  Gewässer kann der Suchende waten, es sei denn die Last der eigenen Schuld zieht ihn unter Wasser. Dann kann ihn nur noch die Macht der Vergebung zur anderen Seite tragen.

Der zweite Weg führt einem zum Fluss der Leiden. Diesen reißenden Strom kann selbst der geübteste Schwimmer nicht sicher durchqueren. Jede Berührung des eisigen Wassers bedeutet, die Qualen seines gesamten Lebens spüren zu müssen. Jedoch führt die dünne Eisbrücke der Hoffnung über das Wasser. Doch sobald der Suchende diese Brücke bis zur Mitte hin überquert hat, zerbricht diese und man versinkt im den eisigen Tiefen des Wasser, es sei denn, die Bruchstück der Hoffnung tragen einen an das andere Ufer.

Der dritte und letzte Weg führt zum Fluss der Erkenntnis. Dieser Fluss ist sehr heiß und der Suchende fühlt sein eigenes Fleisch bei lebendigem Leibe verbrennen. Dort durchlebt er alle positiven Taten, welche man mit Liebenden, Freunden und der Familie erlebt hat und der Suchende erhält in den Flammen die Gelegenheit, Abschied von ihnen zu nehmen. Auch wenn dieser Fluss die schönsten Erinnerungen widerspiegelt, so ist seine Durchquerung doch die bitterste.

Hat man alle drei Flüsse überquert, so steht der Suchende wieder bei Schale und Becher. Dort wird die Entscheidung von ihm abverlangt, ob er seine Vergangenheit hinter sich lässt oder ob er die Zukunft weiterführt. Die Schale enthält sein gesamtes Wissen. Der Becher ist das Wissen, welches er für sein neues Leben benötigt.

Will er sein Leben fortsetzen, so leert die Schale und kehrt in sein altes Leben zurück.

W
ill er jedoch von allem loslassen, so vergießt er die Schale in die Quelle und leert den Becher mit einem Schluck. Damit hat er seine
Entscheidung getroffen. Eine Rückkehr ist nicht mehr möglich und man verliert alle seine Erinnerung, ob positiv oder negativ.